Starkes Mädchen, chaotische Familie

Autorenlesung

Von Vanessa Dörfler
Fotos: Gutschalk

Hinter dem Regal mit den Neuerscheinungen, den Krimis und Thrillern sitzen sie: Zwei siebte Klassen der Erich Kästner-Schule (EKS), mitten in der hellen und freundlichen Mediothek. Vor ihnen steht Stephanie Gessner, Kinderbuchautorin und nun ihre Vorleserin. Die 52-Jährige hat drei Bücher im Gepäck, alle aus der Reihe „Lil April“. Die Einbände sehen ein wenig so aus, als würden Jungs diese Bücher auf keinen Fall in die Hand nehmen. Doch Stephanie Gessner weiß, wie sie ihre Leserschaft für sich gewinnt: Eine kurze Einführung um 9.30 Uhr am Dienstag und schon sind die Unterstufenschüler ruhig, hören ihr zu.

Denn die „Lil April“-Bücher erzählen mitten aus dem Leben der jungen Zuhörer, sind voller kurzweiliger Dialoge und gespickt mit Mädchen- und auch Jungsfiguren. Erzählt aus der Ich-Perspektive, erleben die Siebtklässler der EKS anderthalb Stunden lang, wie sich Lil April als eines von fünf Geschwistern durch den chaotischen Alltag ihrer Familie schlägt und warum es so schwierig ist, immer das Richtige zu tun.

Stephanie Gessner ist hauptberuflich Texterin, hat in Frankfurt und Mainz Romanistik studiert. 2016 veröffentlichte sie ihr erstes Kinder- und Jugendbuch, eröffnete mit „Lil April. Mein Leben und andere Missgeschicke“ die Geschichte um das starke Mädchen. Im Januar wird schon der vierte Band auf den Büchermarkt kommen. Gessner nennt ihre Autorentätigkeit ihr zweites „Spielbein“ – immer von 8.30 Uhr bis mittags schreibt sie an ihren Geschichten, dann ist das berufliche „Standbein“ dran. Dann klärt sie mit Kunden deren Wünsche ab, recherchiert und schreibt ernsthafte Texte.

Sie will weiterhin Bücher schreiben, hat einen Roman für junge Erwachsene ab 16 Jahren im Blick, außerdem die Idee für eine neue Kinderbuchreihe, die in einer Schule spielen soll. In dieser Woche ist Gessner bei fünf unterschiedlichen Lesungen unterwegs. Der Lese-Vormittag in der EKS gehört zum Leseförder-Konzept der Schule. Deutschlehrerin Karina Röhrborn ist für die Organisation der Autorenlesungen verantwortlich. Sie kümmert sich darum, dass alle Jahrgangsstufen regelmäßig an einer Leseveranstaltung teilnehmen können. Ende November etwa ist wieder eine Märchenerzählerin zwei Tage lang zu Gast an der EKS. Sie führt die neuen Fünftklässler in die Welt des Erzählens ein. „Oft verwenden wir die Bücher einer Lesung als Lektüre im Unterricht, das ist allerdings nicht immer einfach“, sagte Röhrborn. Die Lil-Reihe etwa sei einfach zu dick, das schrecke eine Hauptschulklasse gleich ab. Die Bücher von Stephanie Gessner werden trotzdem in der Mediothek bleiben, signiert selbstverständlich. Wessen Interesse bei der Lesung geweckt wurde, der kann sie sich dann dort ausleihen.

Gessner reist mit ihren Büchern sowohl in Buchhandlungen als auch an Schulen. „Für Schüler lese ich am liebsten vor, es ist schön, wenn der eigene Text einen Funken überspringen lässt und wenn man sie dann am Wickel hat“, sagte die Autorin gut gelaunt. Auch wenn Jungen zu Beginn oft skeptisch seien, die Lil-Bücher steckten voller männlicher Figuren, die auch die Jungs in ihren Bann zögen. Und damit der Vormittag auch wirklich Spaß machte, unterbrach Gessner immer mal wieder, stellte Fragen und bezog die Siebtklässler mit ein.